Der Begriff Digitale Nomaden wurde infolge der Etablierung des Internets auf der ganzen Welt kreiert. Denn dank einer schnellen Internet-Verbindung können Personen, welche ausschliesslich am Computer arbeiten und zeitlich flexibel eingesetzt werden könnten im Prinzip von jedem Ort der Welt aus arbeiten. Es spielt also keine Rolle mehr, ob man seine Arbeit in Zürich in einem Büro verrichtet, oder ob man an einem Strand von Sansibar sitzt. Wir haben uns mit Digitalen Nomaden unterhalten (naheliegendeweise online) und nach den Vor-und Nachteilen der neuen Arbeitsform gefragt.
Raus aus dem Hamster Rad – Rein ins Paradies
Frederik ist 29 Jahre alt, stammt aus der Schweiz und ware lange Zeit bei einer Bank in der Marketingabteilung tätig. Im Jahr 2017 unternahm er zusammen mit seiner Freundin Petra eine Bali Reise, während welcher sie die Vorzüge eines Lebens an der tropischen Sonne Indonesiens lieben lernten. Kein Wecker, welcher dich am morgen aus Bett reisst, keine Präsenzzeit, das Leben nach Lust und Laune gestalten, diese Feriengefühle lösten in Frederik bald den Wunsch aus, das Leben permanent in ähnlichen Gefilden zu verbringen. Sein Job im Marketing müsste gut von jedem Ort der Welt zu bewältigen sein. Dabei würde er erst noch von dem hohen Lohn in der Schweiz profitieren, wobei er auf Bali mit weit tieferen Lebenskosten rechnen konnte. Nachdem das Paar in die Schweiz zurückgekehrt war wurde der Plan der Auswanderung in Angriff genommen. Frederik und Petra kündigten ihre sicheren Jobs in der Schweiz und begaben sich schon bald wieder nach Indonesien, um ihren Traum zu leben.
Arbeiten am Strand
Nicht viel mehr als ein paar Kleider und einen Laptop nahmen die beiden für ihren Aufenthalt in Bali mit. Sie mieteten sich eine kleine Wohnung in Strandnähe und stiegen euphorisch gelaunt in ihr neues Leben als digitale Nomaden ein. Beide konnten sich Aufträge vom alten Arbeitgeber sichern, was den Einstieg in die Selbständigkeit natürlich enorm vereinfacht. In dieser komfortablen Ausgangslage konnten beide quasi nahtlos weiterarbeiten, der einzige Unterschied war, dass sie eben nicht mehr vor Ort in Zürich, sondern tausende Kilometer entfernt in Indonesien sassen. Was auf den ersten Blick fast zu schön um wahr zu sein erscheint, entpuppt sich im Alltag als nicht immer einfach.
Zeitverschiebung
Je nachdem wo ihr eure Zelt aufschlagen wollt, ist die Zeitverschiebung ein Faktor, welcher nicht unterschätzt werden darf. In Indonesien geht die Zeit im Vergleich zu der Schweiz 6 Stunden vor. Wenn eure Arbeitskollegen also um morgens um 9 den ersten Kaffee aus dem Automaten lassen, dann ist in Bali bereits 15.00 Uhr am Nachmittag. Es liegt auf der Hand, dass Video-Calls und Telefongespräche oder auch Chats auf Grund der Zeitverschiebung eine gute Planung voraussetzen.
Arbeitsplatz unter Palmen?
Klar, im erstem Moment klingt es reizvoll in einer Strandbar den Laptop aufzuschlagen und sich dann bei einem leckeren Capuccino an die Arbeit zu machen. Tatsächlich zeigt sich aber schnell, dass konzentriertes Arbeiten eben doch an einem Büroplatz am besten funktioniert. Keine störende Sonneneinstrahlung auf dem Display und keine schreienden Kinder in der Umgebung können für konzentriertes Arbeiten durchaus erstrebenswert sein. So wurde der Arbeitsplatz schon nach wenigen Wochen von der Strandbar in die eigene Wohnung verlegt.
Klima – in der Hitze arbeiten
Während der Ferien ist das tropische Klima in Indonesien für die meisten Touristen ein besonderer Pluspunkt. Nur in Flipflops und Tanktop den Alltag bestreiten, das ist der Traum von ganz vielen Westlern aus kühleren Regionen. Verbringt man seinen Arbeitsalltag in tropischen Gefilden, kann die umbarmherzige Hitze, welche einem jeden Tag entgegenschlägt, sobald man die möglicherweise klimatisierten eigenen vier Wände verlässt, ganz schön an die Substanz gehen. Konstante Temperaturen über 30 Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit sind wohl angenehm in den Ferien, aber nicht gerade gute Bedingungen für konzentriertes arbeiten.
Digitale Nomaden – Die Community
Was Frederik und Petra als besonders inspirierend empfinden, ist die Community von Digitalen Nomaden, welche sich an Hotspots wie auf der Insel Bali gebildet hat. Viele junge Menschen, welche Ferien und Arbeit verbinden möchten, treffen sich in auf diese Zielgruppe ausgerichteten Cafes, wobei ein reger Austausch über Geschäftsideen und Aufträge entsteht. Die Communities bieten die Möglichkeit neue Freunde kennenzulernen und nicht selten werden untereinander Aufträge vermittelt. Die meisten digitalen Nomaden haben ein Online-Business und sind mit einem Onlineshop oder einem Angebot auf Social Media präsent. Natürlich gibt es auch noch eine Hand voll Influencer, diese sind aber in der Regel weniger sesshaft und reisen von einem zum anderen Ort, um immer wieder neue Videos und Fotos zu posten.
Fazit nach einem halben Jahr Bali
Frederik und Petra ziehen nach einem halben Jahr Bali ein durchzogenes, aber dennoch sehr positives Fazit. Unsere Work-Life Balance hat sich definitiv verbessert und das war ja das primäre Ziel unseres Vorhabens. Wir arbeiten zwar nach wie vor hart, aber wir nehmen uns viel mehr Zeit um das Leben zu geniessen, an den Strand zu gehen und Ausflüge zu machen. Auch wenn das heisse Klima zuweilen anstrengend sein kann, so findet das Leben doch hauptsächlich im Freien statt und nicht in den eigenen vier Wänden. So fällt es viel leichter mit den Locals und Touristen in Kontakt zu treten, da man sich zwangsläufig im Alltag über den Weg läuft. Das Arbeiten mit 6 Stunden Zeitverschiebung ist schwierig. Die beiden überlegen sich, ob sie ein Online Business aufziehen sollen, bei welchem sie weniger auf ein Team in Europa angewiesen sind. Man verliert schnell die Bindung zu den Arbeitskollegen. Denn Online-Tools und Video-Telefonie sind gut, aber sie ersetzen den persönlichen Kontakt vor Ort leider in keiner Weise. Da gibt es keinen Austausch mehr bei der Kaffee-Maschine und auch keine gemeinsamen Mittagessen. Wir haben emotional die Bindung zu Team sicher etwas verloren, was natürlich ein Nachteil ist.
Zukunft als digitale Nomaden?
Das Paar aus der Schweiz möchte den Weg als digitale Nomaden noch weiter bestreiten. Aber die Welt ist gross und es gibt so viele schöne Orte, an welchen man sich für ein paar Monate niederlassen kann. Die beiden schielen verstohlen Richtung Philippinen, was der nächste Stopp auf ihrer “Arbeitsreise” sein könnte.
Weiterführende Links: 20Minuten Artikel mit kontroversen Kommentaren zum Thema digitale Nomaden: https://www.20min.ch/story/wieso-soll-man-schweizer-lohn-kassieren-und-dann-irgendwo-in-thailand-arbeiten-963854766364